Jetzt arbeitest du nicht nur in Coesfeld, du lebst hier auch mit deiner Familie. Wie empfindest du es, Berufs- und Privatleben in der gleichen Stadt zu haben?
Total entspannt. Erstmal genieße ich es, die kurze Strecke zur Arbeit mit dem Fahrrad zu fahren. Insbesondere nach Nachtdiensten ist es sehr vorteilhaft für mich, nicht mehr 45 Minuten Fahrzeit vor mir zu haben. Ein weiterer Punkt ist, dass ich hier entspannter nach Hause gehen kann, denn ich weiß, die Kinder sind gut versorgt. Selbstverständlich waren sie das bei meinen vorherigen Arbeitsstätten auch, aber die Kinder dort waren noch komplexer erkrankt und die Zustände oftmals deutlich kritischer. So wusste ich teils nicht, ob ich „meine“ Patient:innen am nächsten Tag noch weiterpflegen konnte.
Natürlich treten auch in meinem gegenwärtigen Arbeitsumfeld kritische Situationen auf, zum Beispiel, wenn ein Kind in einer sehr frühen Schwangerschaftswoche geboren wird. Schaffen wir es dann trotz optimaler Versorgung nicht, das kleine Leben zu retten, berührt uns dies zutiefst und beschäftigt uns. Doch es verdeutlicht mir auch, dass der Tod ein Teil des Lebens ist und dass der Medizin Grenzen gesetzt sind. Trotz dieser Herausforderungen empfinde ich meinen Beruf keineswegs als bedrückend, sondern vielmehr als eine Chance, kleinen Menschen beim Start ins Leben zu helfen.
Wirst du in deiner Freizeit denn oft von Patient:innen bzw. deren Eltern angesprochen oder andersherum, kommt es oft vor, dass du Patient:innen schon aus deinem privatem Umfeld kennst?
Hin und wieder kommt es mal vor, dass mich Menschen in der Stadt mit „Hallo Pfleger Markus“ ansprechen und ich die Personen nur aus dem Klinikalltag kenne. Das freut mich, denn schließlich zeigt es mir, dass wir in unserem Team anscheinend gute Arbeit geleistet haben und die Leute sich freuen, mich zu sehen. Ein weiterer Punkt ist, dass wir besonders in der Kinderintensivpflege ein großes Einzugsgebiet haben und somit viele Patient:innen gar nicht aus dem näheren Umfeld kommen. Und zu guter Letzt, vielleicht sogar am wichtigsten: Ich freue mich riesig, wenn ich ehemalige Patient:innen wiedertreffe und besuche daher auch gerne die Veranstaltung rund um den Weltfrühgeborenentag am 17. November, zu der wir jährlich in unsere Kliniken einladen. Hier kann ich die tollen Fortschritte der ehemaligen Patient:innen live erleben und mit den Menschen nochmal ins Gespräch kommen.
Kann man in deinem Beruf von einem typischen Alltag sprechen?
Nein, überhaupt nicht. Jeder Tag ist anders und das macht es auch so spannend. Hinzukommt, dass wir unsere Stationen kürzlich komplett renoviert und erweitert haben und somit in einem hochmodernen Arbeitsumfeld 19 Intensivbetten auf unserer Neonatologie haben. Zudem sind wir auf der direkt angrenzenden Kinderintensivstation eingesetzt, auf der wir Kinder zwischen 0 und 18 Jahren versorgen. Unser Alltag ist nicht „planbar“, es kommen immer wieder spontan Schwangere herein, deren Kinder in unterschiedlichsten Schwangerschaftswochen auf die Welt geholt werden, denen wir dann beim Start ins Leben helfen.
Tag- und Nachtschichten unterscheiden sich auch nochmal stark. So ist es tagsüber z. B. auf Grund von mehr Absprachen mit anderen Abteilungen oftmals trubeliger. Nachts fahren wir die Pflege für unsere Kleinsten bewusst auf das Notwendigste herunter, um unseren Patient:innen die so wichtigen Ruhephasen zu ermöglichen. Der Schlaf und die Erholung tragen wesentlich zur Genesung unserer kleinen Patient:innen bei.
Als männlicher Pfleger bist du vermutlich immer noch in der Unterzahl, oder? Spielt dein Geschlecht eine Rolle?
Tatsächlich sind wir auf unserer Station aktuell ein rund 70-köpfiges Pfleger:innenteam und ich war lange Zeit der einzige Mann. Seit kurzem haben wir einen weiteren männlichen Pfleger mit im Team – immerhin. Ich empfinde durch die unterschiedliche Verteilung aber keinen Nachteil. Wichtig ist, dass es zwischenmenschlich passt. Meine Kolleginnen sagen mir auch öfters, dass es guttut, einen Mann an Bord zu haben – das kann ich selbst natürlich schlecht beurteilen. Auch im Umgang mit den Patient:innen und Familien spielt mein Geschlecht keine Rolle. Einzig wenn es um das Thema Stillanleitung geht: Da bin ich raus. Naturgemäß habe ich hier keine Erfahrungen und die Entscheidung getroffen, dass ich das meinen Kolleginnen überlasse. Diese Entscheidung wird total respektiert und ich kann mich jederzeit auf mein Team verlassen, dass in solchen Situationen immer eine Kollegin übernimmt.
Du hast es schon erwähnt: Auf der Kinderintensivstation erlebst du auch mal traurige Geschichten. Inwiefern prägen dich diese?
Ich bin ein Mensch der gut abschalten kann. Wenn ich nach Hause komme, lenken mich meine Frau und Kinder ab, sodass ich gar nicht so viel mitnehme. Ein weiterer Punkt ist auch, dass ich jetzt lange Jahre im Beruf bin und somit einige Erfahrungen gesammelt habe, die mir Sicherheit geben. Besondere Geschichten bleiben aber natürlich hängen. Wichtig ist, dass wir darüber sprechen – und das können wir gut in unserem Team. Mein Beruf zeigt mir auch immer wieder, dass es nicht selbstverständlich ist, zwei gesunde Kinder zu haben. Dafür bin ich dankbar.
Als Kinderkrankenpfleger kümmerst du dich mit deinem Team nicht nur um die Gesundheit der Kinder, sondern Ihr habt auch ein offenes Ohr für die besorgten Eltern. Wie gelingt euch dies?
Es ist total verständlich, dass Eltern besorgt sind. Gerade wenn die Schwangerschaft oder Geburt anders verläuft als erwartet, ist die Verunsicherung groß. In den Christophorus Klinken sehen wir Baby und Eltern immer als Einheit. So ist z. B. das Känguruhen (Haut-zu-Haut-Kontakt) bei uns von großer Bedeutung. Die Kinder erhalten über die Atmung der Mutter/des Vaters Atemanreize und werden hierdurch oftmals stabiler. Dieser enge Körperkontakt hilft sowohl Kind als auch Eltern bei der Verarbeitung. Seit 2023 haben wir auch Rooming-In-Zimmer. Hierin können Eltern mit ihrem Kind im eigenen Zimmer mit eigenem Bad viel Zeit miteinander verbringen und die Versorgung des Kindes selbstständig übernehmen – Natürlich stehen wir hier immer bei Bedarf helfend zur Seite.